Du darfst, nein du solltest sogar, aufhören zu Kämpfen.

 

Die stille Erschöpfung vom Kämpfen

Und wenn ich ganz ehrlich bin, dann möchte ich sogar sagen: Du musst aufhören zu kämpfen.

Nicht, weil du etwas falsch machst, nicht, weil du versagt hättest oder weil du nicht „genug“ wärst sondern, weil dein System irgendwann nicht mehr kann, weil dein Körper müde wird, weil deine Seele sich nach etwas anderem sehnt, nach einem Ort in dir, der nicht dauernd gegen dich arbeitet, sondern dich sanft umarmt, so wie du bist.

Wir kämpfen so oft, ohne dass es jemand sieht. In Beziehungen, im Beruf, im Alltag und vor allem in uns selbst.

Wir kämpfen mit Gedanken, die sich im Kreis drehen. Mit einem inneren Druck, der nie Pause macht. Mit Emotionen, die wir nicht fühlen wollen, weil wir denken, sie müssten längst vergangen sein. Und je mehr wir versuchen, Ordnung in dieses Chaos zu bringen, je mehr wir das Alte loswerden wollen, um Platz für das Neue zu machen, desto stärker ziehen wir innerlich die Schultern hoch, spannen den Bauch an, halten den Atem zurück und wundern uns, warum es nicht leichter wird.

Der Kampf, den wir nicht sehen und trotzdem ständig führen

Was ich meine, wenn ich von „Kampf“ spreche, ist nicht das gesunde Bemühen, nicht das Dranbleiben, nicht der Mut, Schritte zu gehen. Ich meine das ständige innere Ringen, das Sich-Anstrengen, das “Ich MUSS”. Dieses Gefühl, nie ganz da zu sein, nie ganz richtig zu sein, nie ganz anzukommen und sich immer getrieben fühlen.

Wir wachsen auf mit der Vorstellung, dass wir uns alles verdienen müssen. Dass wir für Liebe, Anerkennung, Sicherheit, sogar für Ruhe kämpfen müssen. Dass nichts zu uns kommt, wenn wir nicht stark genug sind, nicht ehrgeizig, nicht widerstandsfähig genug. Und so schleichen sich diese Überzeugungen auch in unsere innere Welt.

Wenn wir uns verändern wollen, wenn wir spüren, da ist etwas, das sich nicht mehr stimmig anfühlt, dann greifen wir oft zu den selben Strategien: Wir versuchen, es schneller zu machen, klarer, besser. Wir wollen alte Gefühle loswerden, damit endlich das Neue kommen kann. Aber genau dabei entsteht der innere Widerstand, der uns manchmal wie aus dem Nichts ausbremst, weil er nicht weiß, wie sich Loslassen anfühlen darf, ohne dass etwas verloren geht.

Wenn der Kampf in dir beginnt, du ihn aber noch nicht verstehst

Ich erinnere mich an eine meiner Klientinnen, die in einer Session genau das erlebt hat: Sie lag da, mit einem tiefen Wunsch in sich, endlich loszulassen. Alte Erinnerungen, ein Gefühl der Schwere, etwas, das sie schon lange mit sich herumgetragen hatte. Sie wollte es wirklich fühlen, ihr Körper war bereit, ihre Tränen waren da, alles war offen. Und doch tauchte gleichzeitig eine so spürbare Anspannung auf, ein innerer Halt, wie ein unsichtbares Band, das sie zurückzog.



Es war kein Widerstand im klassischen Sinne, nichts, das sie bewusst kontrolliert hätte. Es war eher ein sehr alter Reflex, eine feine, aber tief verwurzelte Bewegung in ihr, die sagte: „Nicht so schnell. Nicht ohne Sicherung. Nicht, wenn ich nicht weiß, ob ich gehalten werde.“



Und in genau solchen Momenten beginnt der leise innere Kampf zwischen dem Teil in uns, der loslassen will, und dem Teil, der sich damit noch nicht sicher fühlt. Und auch wenn es so aussieht, als würden sich diese Anteile gegenseitig im Weg stehen, sind sie in Wirklichkeit einfach Ausdruck einer tiefen inneren Ambivalenz, einer natürlichen Spannung, die entsteht, wenn ein System etwas will und gleichzeitig nicht weiß, wie es das sicher (aus)halten kann.

Der Moment, in dem du weich wirst und nicht mehr musst

Und genau hier beginnt das, was radikale Akzeptanz bedeutet

Radikale Akzeptanz bedeutet nicht, dass du aufgibst. Es bedeutet nicht, dass du aufhörst, dich zu entwickeln oder dass du alles einfach so hinnimmst, wie es ist. Es bedeutet nur, dass du aufhörst, dich selbst zu bekämpfen. Dass du einen Moment lang stehen bleibst, atmest und annimmst, dass alles, was in dir auftaucht, auch der Teil, der festhält, auch die Angst, auch die Spannung, ihren Platz hat. Dass es okey ist, dass es so ist wie es gerade ist.

Dass dein System mit all dem, was es gelernt hat, einfach nur versucht, dich zu schützen.

Dass es manchmal nicht darum geht, etwas wegzumachen oder zu verändern, sondern zuerst darum, zu halten, zu hören, zu atmen, zu lassen.

Du bist kein Kampfplatz, du bist ein Raum für alles,
was in dir lebt

Wenn du beginnst, deine inneren Bewegungen nicht mehr zu sortieren in „richtig“ und „falsch“, wenn du spürst, dass auch dein Zögern, dein Festhalten, deine Unsicherheit dazugehören dürfen, dann entsteht ein Raum in dir, in dem dein System aufatmen kann.

Und genau das ist der Moment, in dem sich oft etwas löst. Nicht, weil du es forciert hast. Sondern, weil du es aufgehört hast zu bekämpfen.

Du bist kein Kampfplatz. Du bist kein Projekt.Du bist kein Prozess, der endlich abgeschlossen werden muss.

Du bist ein fühlendes Wesen mit einem inneren System, das gelernt hat, vorsichtig zu sein weil das Leben es so oft gefordert hat. Und genau deshalb brauchst du keine neuen Methoden, keine Strategien, keine schnellen Lösungen. Was du brauchst, ist ein Ort, an dem du mit allem da sein darfst.

Ein Raum in dir, in dem nichts repariert, aber alles sein darf und gehalten wird.

Und jetzt? Atme. Lass es weich sein.

Vielleicht liest du das hier gerade in einem Moment, in dem es in dir tobt. Vielleicht bist du mittendrin in einem dieser inneren Kämpfe zwischen dem Wunsch nach Veränderung und dem Teil in dir, der einfach nur Ruhe braucht. Vielleicht fühlst du dich zerrissen, unklar, müde.

Dann nimm das hier als eine leise Erinnerung:

Du darfst aufhören, gegen dich zu kämpfen. Du musst es nicht perfekt können. Du musst es nicht sofort schaffen. Du musst nicht loslassen, bevor du innerlich wirklich gehalten bist.

Es reicht, wenn du dich selbst ernst nimmst.

Wenn du diesen Moment erlaubst, ohne ihn kontrollieren zu wollen. Wenn du atmest, weich wirst, hörst.

Denn der Weg ist nicht dort, wo du härter wirst. Er liegt genau dort, wo du dich selbst nicht mehr verlässt.

Und genau deshalb sage ich es nochmal mit allem, was in mir mitschwingt:

Du darfst. Nein, du solltest aufhören zu kämpfen.
Jetzt.

Nicht irgendwann. Sondern hier.
In deinem Tempo. In deinem Rhythmus.

Mit allem, was du bist.

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Das Ansehen unserer Emotionen in der Gesellschaft.