Das Ansehen unserer Emotionen in der Gesellschaft.

Die hilfesuchende Hand, die aus der Tiefe des Ozeans blickt. Ertrunken in unseren eigenen Emotionen.

Ich war vor wenigen Tagen auf einer Beerdigung eines Menschen der zu früh und sehr plötzlich diese Welt verlassen hat. Doch hier soll es erstrangig gar nicht darum gehen. Viel eher geht es um etwas, was ich dort beobachtet habe.

Es geht um den Umgang mit unseren Emotionen in der Gesellschaft. Wie wir und vor allem auch die älteren Generationen geprägt sind, was den Umgang mit Emotionen und Gefühlen angeht.

Etwas, was mich heute immer wieder schockt und mir teilweise auch richtig weh tut, weil ich weiß wie schwer es sich im Inneren anfühlt, zu unterdrücken was so sehr gefühlt werden will. Eine Energie die fließen will. Denn nichts anderes sind unsere Emotionen. Energie in Bewegung.

Ich blickte in ein Gesicht, was so verzerrt vom Schmerz war. Sah einen Körper der zitterte, weil er fühlen wollte was da ist. Und sprach mit einem Menschen, der sagte: “Es ist so schlimm, und ich will nicht die Beherrschung verlieren. Entschuldigt meine Tränen, ich kann mich gerade nicht kontrollieren”

Boom.. In mir tobte es. Mein Feuer, was so sehr dafür brennt, dass wir Menschen aufhören uns unsere Gefühle zu verbieten. Dass wir wieder lernen wirklich und wahrhaftig zu fühlen. Dass wir das tun, egal wo auch immer wir sind. Es ist die Essenz meiner Arbeit. Alles worum es sich dreht. Und ich konnte nicht anders, als mich zu fragen, wie viele Tränen da wohl zurückgehalten wurden, wie viele Schluchzer in dieser verschlossenen Kehle stecken geblieben sind, wie viele Gefühle sich in diesem Moment in ihrem Körper festgesetzt haben, weil sie keinen Ausdruck finden durften.

Hier war ein Mensch, der so viel Trauer verspürte, so viel, dass es sichtbar wurde. Und trotzdem blieb sie Stumm. Aus der Konditionierung heraus. Denn Emotionen waren für sie immer etwas, was man “im Griff” haben musste. Emotionen die bedeuten, dass man schwach ist wenn man sie zulässt. Sie waren etwas, was ausgehalten werden musste. Aber bloß nicht sichtbar, geschweige denn spürbar für andere.

Und ich stand dort, sah sie an und wusste mit jeder Faser meines Körpers, wie weh es tut, wenn da etwas in dir lebt, das sich ausdrücken will, aber dein Körper hält es fest, aus Angst, aus Scham, aus Gewohnheit.

Und klarer denn je, möchte ich dir sagen:

Gefühle wollen nicht analysiert werden.

Sie wollen nicht verstanden werden.

Sie wollen nicht sortiert, nicht bewertet, nicht wegerklärt werden. Sie wollen erlebt werden. Gesehen. Gehalten. Durchfühlt.

Denn nichts anderes sind sie in ihrer Essenz: Emotionen sind Energie in Bewegung.

Und wenn wir sie nicht fließen lassen, dann stauen sie sich. Verdichten sich. Werden zu Materie.

Suchen sich andere Wege über den Körper, über die Psyche, über das, was wir irgendwann gar nicht mehr mit ihnen in Verbindung bringen. Es schneidet uns vom Lebendig sein ab.

Das zu beobachten hat mir noch einmal so deutlich gezeigt, wie tief diese kollektive Prägung reicht. Wie sehr wir gelernt haben, uns zusammenzureißen. Wie sehr wir uns selbst abgeschnitten haben vom eigentlich Natürlichsten in uns: Unserem inneren Erleben.

Und genau deswegen wünsche ich mir so sehr, dass es noch viel mehr Orte gibt, als nur meine Praxis mit Breathwork und Coaching, in denen Menschen sich endlich wieder trauen dürfen, echt zu sein. In denen sie lernen, sich wieder fallen zu lassen. Zu Zittern, zu weinen, zu wüten, zu lachen, ohne dass sofort ein Deckel drauf muss. Ohne dass jemand die Hand hebt und sagt: „Jetzt reiß dich mal zusammen” - “Stell dich nicht so an” - “Du bist doch nur zu sensibel” oder “Heul leiser”..

Denn ich glaube, es ist nicht die Emotion, die uns überfordert sondern das Alleinsein damit. Die Sprachlosigkeit. Die Angst es alleine nicht halten zu können und das jahrzehntelange Abtrainieren unseres emotionalen Ausdrucks.

Heilung beginnt, wenn wir aufhören, uns zurückzuhalten.
Wenn wir aufhören, uns für unsere Echtheit zu schämen.
Wenn wir endlich wieder lernen, zu fühlen. Die ganze Palette.

Denn unterdrückte Trauer ist kein Zeichen von Stärke.
Sie ist ein stummes Echo davon, wie sehr wir verlernt haben, zu fühlen.

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Du darfst, nein du solltest sogar, aufhören zu Kämpfen.